"Experiences Have A Lasting Impression..." - Vier Dekaden unserer Initialzündung
Um diese Platte ranken sich allerlei Legenden. Sei es, dass sie komplett von Einstürzende Neubauten geklaut wäre, dass Martin „Somebody“ komplett nackt eingesungen hätte, oder dass sie fast komplett beim finalen Mix gar nicht mehr anwesend waren.
Eine Legende ist "Some Great Reward" definitiv auch für uns, war doch „People Are People“ für die meisten der erste engere Kontakt mit dieser Band. Der Song, mit dem gleichsam albernen wie genial einfachen Text, der catchy Melodie, die einen sofort mitreißt, und Klängen, wie wir sie bis dahin noch nie gehört hatten.
Eine Legende ist "Some Great Reward" definitiv auch für uns, war doch „People Are People“ für die meisten der erste engere Kontakt mit dieser Band. Der Song, mit dem gleichsam albernen wie genial einfachen Text, der catchy Melodie, die einen sofort mitreißt, und Klängen, wie wir sie bis dahin noch nie gehört hatten.
Damals beeindruckte „People Are People“ weniger mit ausgefeiltem Songwriting (Refrain vor Strophe, heutzutage quasi Standard), sondern mit für diese Zeit unerhört ungewöhnlichen Sounds. Egal, ob sie nun geklaut waren, oder nicht. Es ist ein Schlüsseltrack im Werk unserer Lieblinge. Ab diesem Zeitpunkt begannen sie langsam, über sich hinaus zu wachsen.
So war „People Are People“ auch mein erster, bewusster Kontakt mit Depeche Mode. Als geneigtem und treuen Bayern-3-Hörer (ja, Thomas Gottschalk, immer nach der Schule, leider!), war mir trotz meiner jungen Jahre der Hit natürlich nicht entgangen. Genauso wie die Übergabe des Isetta-Kotflügels als Ehrung für die Nr.1 der deutschen Hitparade in der für uns heiligen Musiksendung "Formel Eins".
Für die heilige Fanwerdung hat es bei mir damals noch nicht ganz gereicht, dazu war ich noch zu sehr geflashed von „Radio Gaga“, „Doctor Doctor“ (was für Frisuren!) und „What is Love“ (Howard Jones, nicht Haddaway!). Immerhin setze er bei mir ein erstes Achtungszeichen. Diese Band galt es fortan etwas näher zu beobachten.
Die philosophische Grundidee hinter "People Are People", nämlich die eindeutige Stellungnahme zu Rassismus, Sexismus und gegenseitiger Toleranz, bildet sicher bei den meisten Depeche Mode Fans bis heute ihre weltanschauliche Basis. Zumindest dachten wir das viele Jahre, bis sich Mitte der letzten Dekade hier irgendwie die Spreu vom Weizen zu trennen schien. Angesichts der aktuellen geopolitischen Entwicklung ist die Aussage des Songs leider aktueller denn je.
Möglicherweise handelt Martins Song über "different colors" aber auch nur von einem dämlichen "you're punching and you're kicking" Hooligan-Riot an einem britischen Fußballwochenende. Wer weiß das schon?
Dennis Plauk und André Bosse schrieben dazu: „Mit People Are People
machten sich Depeche Mode endgültig einen Namen als Hit-Band, doch
spätestens 1984 wuchsen sie auch auf einer zweiten, wesentlich
nachhaltigeren Ebene. Die Band fand ein Publikum, das sich auch (und
vielleicht sogar vor allem) an den Songs jenseits der Singles
begeisterte. Im von Videos und Chartplazierungen, Singles und Maxis
geprägten Pop-Business der Achtzigerjahre war das eine Besonderheit;
parallel zum großen Hit emanzipierte sich die Band damit von den
Hitparaden."
Irgendwann Anfang der 90er hatte man sich an „People Are People“ irgendwie sattgehört, die Band selbst wohl auch. Nur der Text ist heute leider immer noch up to date.
Mit „Some Great Reward“ zogen Leder, Frauenklamotten und Coolness bei Depeche Mode ein. Beeinflusst von einer Stadt, die kaum schlief, wo Kultur und Dekadenz vorherrschten, aufgenommen in einem „lebendigen“ Studio, bei dem Technik, Geschichte und Heldenverehrung gleichzeitig gelebt wurden. Schließlich hatten David Bowie und Iggy Pop bei Hansa in Berlin nicht nur irgendwas aufgenommen!
Dass die Geschichte mit den Neubauten zumindest zu einem Teil stimmen könnte, belegt die Tatsache, dass beide Alben von Gareth Jones produziert wurden und die Neubauten ihre rudimentäre 1983er Songkollektion „Strategies Against Architecture“ für den internationalen Markt bei Mute Records herausbrachten. Blixa Bargeld behauptete dies ziemlich frech sogar höchstselbst in der Musikdoku "Pop 2000".
Mit „Some Great Reward“ zogen Leder, Frauenklamotten und Coolness bei Depeche Mode ein. Beeinflusst von einer Stadt, die kaum schlief, wo Kultur und Dekadenz vorherrschten, aufgenommen in einem „lebendigen“ Studio, bei dem Technik, Geschichte und Heldenverehrung gleichzeitig gelebt wurden. Schließlich hatten David Bowie und Iggy Pop bei Hansa in Berlin nicht nur irgendwas aufgenommen!
Dass die Geschichte mit den Neubauten zumindest zu einem Teil stimmen könnte, belegt die Tatsache, dass beide Alben von Gareth Jones produziert wurden und die Neubauten ihre rudimentäre 1983er Songkollektion „Strategies Against Architecture“ für den internationalen Markt bei Mute Records herausbrachten. Blixa Bargeld behauptete dies ziemlich frech sogar höchstselbst in der Musikdoku "Pop 2000".
Hört man sich das 1985er Neubauten-Album „Halber Mensch“ an, wird man genauso klangliche Parallelen zu Depeche Mode finden, wie zu Fad Gadget. Beide Alben sind quasi zur selben Zeit und am selben Ort entstanden. Wer noch einen Beweis dafür braucht, tauche dazu gern in die Mixe von Dub-Ikone Adrian Sherwood zu "Master And Servant" und zu "Yü Gung" ein. Was den Neubauten damals noch fehlte, waren Melodien und Virtuosität.
Aber das sollte noch kommen, auch dank dieser Zusammenarbeit. Schlüsselfigur dieser Soundexperimente bleibt das "Tonmeister"-Genie Gareth Jones, er war der Spiritus Rektor dieser Bandphase, Alan Wilder wiederholt ein gelehriger Schüler, der er auch noch eine ganze Weile blieb.
Eine weitere Zusammenarbeit gab es damals mit den Humpe-Schwestern. Auf dem ersten gemeinsamen Album der Geschwister haben Martin und Daniel Miller bei einigen Songs das Keyboard eingespielt. Dafür revanchierten sich die Damen mit dem Backgroundgesang für "Master And Servant", der es aber leider nicht bis aufs Endprodukt schaffte. Es existiert lediglich eine frühe Studioaufnahme. Die Stimmen von Inga und Annette erkennt man dort jedoch zweifelsfrei.
Eine weitere Zusammenarbeit gab es damals mit den Humpe-Schwestern. Auf dem ersten gemeinsamen Album der Geschwister haben Martin und Daniel Miller bei einigen Songs das Keyboard eingespielt. Dafür revanchierten sich die Damen mit dem Backgroundgesang für "Master And Servant", der es aber leider nicht bis aufs Endprodukt schaffte. Es existiert lediglich eine frühe Studioaufnahme. Die Stimmen von Inga und Annette erkennt man dort jedoch zweifelsfrei.
Das Martin „Somebody“ nackt eingesungen hat, behauptet zumindest Alan Wilder hartnäckig, was insofern glaubhaft klingt, da Martin damals eh ein starker Hang zum „Blankziehen“ nachgesagt wird. Unterlegt mit Berliner Straßengeräuschen ist diese zarte Klavierballade, die ursprünglich von Dave gesungen werden sollte, eines der Highlights des Albums. Den kleinen lyrischen Twist, der am Ende die ganze Liebeserklärung ein wenig auf den Kopf stellt, sollte bei Depeche Mode noch öfter eine Rolle spielen, genau wie die für Depeche Mode typischen Akkordwechsel bei „Lie To Me“. Blaupause für zahlreiche spätere Songs und textlich das komplette Gegenteil von „Somebody“. Genau wie das filigrane „It Doesn’t Matter“.
Bei „If You Want“ lässt Komponist Alan Wilder seinen Sänger Dave fast die ganze Zeit auf
einer Note rumhacken. Ungewöhnlich aber effektiv für die Stoischkeit dieses Songs. Dabei besteht "If You Want" lediglich zu großen Teilen aus akustischen Versatzstücken von "Master And Servant". Er hat sich halt auch damals schon großzügig bedient, unser Charly. Der Legende nach, soll sogar bei "Master And Servant, der zweiten Single aus dem Album, nach ganzen sieben Tagen mixen keinem aufgefallen sein,
dass die Snaredrum fehlt. Ein von Daniel seither gern kolportierter Insider-Witz.
Alle Songs des Albums sind mehr oder weniger Dystopien über Lüge und Trennung, genauso wie über Nostalgie und Verzweiflung, wie beim starken „Stories Of Old“. Sie vertonen die Langeweile, Trost- und Perspektivlosigkeit auf der Suche nach „Something To Do“ in der Vorstadttristesse von Basildon - wahlweise übertragbar auf das damalige Karl-Marx-Stadt oder gleich die ganze graue DDR. Für uns passte es perfekt.
Etwas aus der Rolle fällt textlich und musikalisch das ikonische „Blasphemous Rumours“. Ein Song, der nicht als Religionskritik verstanden werden will, damals aber genau deswegen für reichlich Kontroversen gesorgt hat. Der Song nimmt größere textliche Anleihen bei Terry Jacks "Seasons In The Sun", wo beim Thema Sterben auch die Vögel dazu zwitschern.
Neben ihrem nahezu gesamten Arsenal an Samples, verarbeiteten die Jungs hier recht zynisch das Kirchenlied „Jesus Love Is Very Wonderful“, je nach Re(li)gion auch "God's Love Is So Wonderful". Dann folgt das Outro und man bleibt nachhaltig beeindruckt zurück.
Musik über "die Welt in der wir leben und das Leben im Allgemeinen", so
die offiziell aufgedruckte Gebrauchsanleitung dieses Langspielers. Musikalisch und ganz
besonders textlich unsere erste Lebensberatung außerhalb derer unserer Eltern.
Die Platte rund macht das thematisch passende Cover - ein romantisches Hochzeitspaar vor einer erdrückenden Industriekulisse, in diesem Falle ein frisch geschlossenes Stahlwerk, was kurz vor dem Abriss stand. Die ikonischen Piktogramme, wie die Kette oder die kurzerhand zum „d“ umfunktionierte Bügelmessschraube, zierten damals nicht nur meine Federmappe und Schulbank.
Alles in allem ist „Some Great Reward“ eine „starke Platte mit viel Atmosphäre“, „exzellenter Produktion“ und „gigantischem Sound“, so Produzent und Mentor Daniel Miller. Eine poppig verpackte Sozialkritik über Rassismus, Sexismus und Toleranz mit Themen, die auch nach 40 Jahren noch aktuell sind, auf einer Platte, die in Teilen auch nach 40 Jahren noch überzeugen kann.
Depeche Mode hatten mit "Some Great Reward" ihre Stimme gefunden. Diese Platte ebnete den Weg für die Großtaten, die noch folgen sollten …
Depeche Mode hatten mit "Some Great Reward" ihre Stimme gefunden. Diese Platte ebnete den Weg für die Großtaten, die noch folgen sollten …
(Stx)
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