"You Hear Stories Of Old...", Teil 2 - Depeche Mode und die "Internationale Funkausstellung"

Jedes Jahr findet in Berlin die "Internationale Funkausstellung" statt. Eine Messe für die neuesten Erfindungen der Unterhaltungselektronik, traditionsgemäß auch immer eng verbunden mit dem Fernsehen. Aufgrund des früher sehr hohen Prestiges dieser Messe, war sie immer ein Schaulaufen für alle Fernsehsender, die in der Regel täglich live und prominent moderiert von der "IFA" sendeten.

Diesen enormen Werbeeffekt wussten Depeche Mode immer gut zu nutzen, und so traten sie erstmalig am 09. September 1983 auf der Funkausstellung auf. Der damals beim WDR beheimatete "WWF Club" lud die Band ein, mit der aktuellen Single "Everything Counts" in Berlin aufzutreten. Anmoderiert von Jürgen von der Lippe, Mareike Amado und Frank Laufenberg seht ihr hier einen Auftritt aus der optischen Findungsphase der Band. Dave noch im Anzug, aber Martin schon mit leicht exhibitionistischen Zügen.

Im Zuge dieses Auftritts entstanden auch die Fotos am Internationalen Congress Centrum (ICC), was gleich neben dem Berliner Messegelände steht. Das eine oder andere Foto ist euch sicher aus eurer BRAVO-Sammlung bekannt. Besonders im 1984er Star-Album sind diese Bilder zu finden. Aufmacher war damals in der Regel leider nicht die neue Schallplatte, sondern die sensationelle Entfernung von Daves linkem Unterarmtattoo mit neuester Lasertechnologie.

Im Bild erkennt man deutlich den Nordeingang des ICC. Die davor stehende Statue nannte sich "Alexander von Ecbatana", im Volksmund nur "Ecbatane" genannt. Eine in Italien gegossene Skulptur des französischen Bildhauers Jean Ipoustéguy. Leider ist sie seit Schließung des ICC im Jahre 2005 nicht mehr an diesem Ort zu finden, sondern soll irgendwo in Berlin eingelagert sein. 


Die Skulptur "Alexander von Ecbatane"

Da Dave vor 1983 in der Regel mit Anzug oder langärmligen Hemden auftrat, gibt es von seinem sensationell laserentfernten Tattoo nicht allzuviele Fotos. Diese Aufnahme hier, stammt von einer Autogrammstunde zu "The Meaning Of Love".

Nicht mehr ganz soviel zu berichten, gibt es zu Depeche Modes Auftritt auf der IFA vom 06. September 1985. Als verkaufsförderndes Vehikel zur bevorstehenden Best-Of "The Singles 81-85" durften die Fernsehzuschauer der nachmittäglichen ARD-Sondersendung "Goldene Eins" die erst am 16. September erscheinende Single "It's Called A Heart" schon vorab genießen. Anmoderiert wurde hier von Michael Schanze.

Im Zweijahresrhythmus geht es weiter, und Depeche Mode stellten am 30. August 1987 nach einer Ansage durch Thomas Gottschalk ihre brandaktuelle Single "Never Let Me Down Again" beim live von der IFA gesendeten "Na siehste!" vor, dieses mal im ZDF. Die Sendung "Na siehste!" wurde damals gemeinsam von Günther Jauch und Thomas Gottschalk moderiert und baute auf den vom Bayrischen Rundfunk bekannten gegenseitigen Neckereien der beiden auf.

Dazu gab es in diesem Jahr sogar noch einen zweiten Nachmittagsauftritt in der ARD, und das sogar noch am selben Tag, nur etwas zeitiger. Zu IFA-Zeiten durfte man die Sendung "Goldene Eins" nicht verpassen, denn da war in der Regel immer ein international angesagter Act dabei. Wenn man an den ersten Tagen des neuen Schuljahres aus der Schule kam, ging normalerweise erstmal der Fernseher an. Mangels vorhandener Aufzeichnungstechnik wurden solche Auftritte dann auch gern mit dem Fotoapparat vom Fernseher abfotografiert und der Ton mit Überspielkabel, auch Diodenkabel genannt, auf Kassette mitgeschnitten. 


So wäre es denn auch 1989 gewesen. Passend zur Funkausstellung dieses Jahres läge auch der Veröffentlichungstermin von "Personal Jesus", der 29. August. Leider ließ es der Terminkalender der Band dieses Mal nicht zu, auf der IFA aufzutreten. Möglicherweise ist es dem größeren Amerika-Engagement der Band zu verdanken, dass "Personal Jesus" sogar erst am 29. September 1989 dem deutschen Fernsehpublikum präsentiert wurde, und dies dann nur im Regionalprogramm des WDR. Der Vollständigkeit halber, hier das Video zu diesem einen Auftritt.

Kurz danach gab es im deutschen Fernsehen nur noch ein Auftritt bei "Na siehste!". Danach war leider Schluss mit Auftritten hier und wir mussten mit Videos aus der Konserve leben. Wer erinnert sich nicht an den Schock des Anblicks eines spindeldürren Dave in einem gestreiften Anzug, langen Haaren und Ziegenbärtchen in der Sendung "Formel Eins"? Komischerweise spielte sogar die Prinzessin aus "Krull" in diesem Video mit. Einer der wenigen amerikanischen 80er-Jahre-Filme, die im DDR-Kino laufen durften und schon allein deshalb sehr von uns verehrt wurde.

Erst im Mai 1997 sollten Depeche Mode im Rahmen der damals extrem beliebten Comedy-Reihe "RTL Samstag Nacht" wieder fernsehseitig nach Deutschland kommen. 

Das Engagement von RTL im Zuge der Veröffentlichungskampagne zu "Ultra", schließt dann sogar wieder den Kreis zur Funkausstellung. 

Aus einer kleinen Randnotiz der "Super Illu" erfuhren wir am Morgen des 31. August 1997 von der Verleihung einer Goldenen Schallplatte an die Band auf der IFA, just am selben Tag. Nach einem Anruf beim IFA-Besucherservice, wann denn dieses Großereignis stattfinden würde, blieb noch genug Zeit, den Fotoapparat einzupacken, sich ins Auto zu setzen und nach Berlin zu düsen. Mit meinem Studentenausweis durfte ich noch ermäßigt rein, meine Frau war schon groß und damit Vollzahler.



Die Veranstaltung war gut besucht. Auch der eine oder andere befreundete Depeche Mode Fan war zugegen. Erheblich daneben waren jedoch die Anfeuerungen der RTL-Moderatoren Birgit Schrowange und ganz besonders des männlichen Moderators, dessen Namen mir trotz intensiver Recherchen partout nicht mehr einfallen will, zur Wartezeitüberbrückung des Publikums. Diese hatten tatsächlich das Niveau von Fragestellungen wie "wer von euch hat alle Platten, Hände hoch".



Leider war die Band nur mit Dave und Andy angereist. Mit von der Partie waren noch Jonathan Kessler und Daniel Miller, sowie Herbert Kollisch und Anne Haffmans von Intercord. Wer den Namen des RTL-Moderators noch kennt, kann ihn mir bitte in die Kommentare schreiben.



Während jedes Wort der Band bejubelt wurde, wurde besonders Birgit Schrowange mit Pfiffen und Buh-Rufen bedacht. 



Von den Besuchern hatte fast jeder seinen damals noch analogen Fotoapparat mitgebracht. Auch von diesen Aufnahmen lagern noch die Negative bei mir zu Hause. Einige Fans hatten danach noch das Glück eines Meet & Greet. 



Wie bei Konzerten wurden natürlich auch Videos mitgeschnitten, und ein kurzes Fernsehinterview wurde aufgezeichnet. Alle unsere Bemühungen, näher an die Band zu gelangen, waren leider nicht von Erfolg gekrönt.


Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung seit Beginn der 2000er Jahre findet die IFA seit 2005 mittlerweile sogar jährlich statt. Teilweise sind die vorgestellten technischen Entwicklungen, wie der 3D-Fernseher, bereits wieder überholt. Der mediale Nutzen und das Prestige der Funkausstellung sind im Laufe der Jahre verblasst. Auch Depeche Mode haben sich seither nicht wieder auf der Messe sehen lassen...

(Edit 04/2023:) 

Im Frühjahr 2023 tauchten dann plötzlich noch die Videos auf YouTube auf, die RTL 1983 noch vor offiziellem Sendebeginn in Deutschland auf der IFA aufgezeichnet hat. Anmoderiert von einer jungen und wohl auch etwas unbeholfenen Biggi Lechtermann.


Das Internet findet alles ...

(stx)

Fotos: Privatarchiv Mike Steinbach, Pinterest, berlingeschichten.de

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