"The Sweetest Perfection..." - 31 Jahre "Violator" (ein Rückblick auf den 30. Geburtstag im Jahr 2020)
In der Facebookgruppe "The Real Fans of Depeche Mode" wurde letztes Jahr in 12 monatlichen Beiträgen ausführlich das 30-jährige Jubiläum von "Violator" gefeiert.
Ein zeitloses Werk, was man eigentlich jedes Jahr aufs Neue feiern kann.
Lest deshalb hier, was die "Real Fans" letztes Jahr dazu zu sagen hatten:
#Januar
Nun ist es schon ganze 30 Jahre her, dass unser aller Lieblingsalbum „Violator“ erschien. Ein Meilenstein und gleichzeitig ein Quantensprung.
Der erste Song, den wir aus dem zu diesem Zeitpunkt noch unbetitelten Album zu hören bekommen sollten, war „Personal Jesus“. Ein treibender, blueslastiger Song, der seiner Zeit weit voraus war und der die Fans auf eine harte Probe stellte, da er ganz und gar nicht Depeche Mode typisch klingt. Ein Risiko, ob und wie sie damit ankommen würden. Mittlerweile ist er aus dem gesamten popmusikalischen Kontext nicht mehr wegzudenken. Ein Song der nicht altern will, und der mittlerweile mit seiner Anzahl an Coverversionen an Beatles "Yesterday" heranreichen dürfte.
Eine oft auch von der Band selbst kolportierte Version des Textes ist die, dass er von der Beziehung von Priscilla Presley zu Elvis handeln würde. Höchstwahrscheinlich hat aber auch die amerikanische Fernsehpredigerszene ihren Anteil an dem Song. War die Band doch gerade auf US-Tour, während der damals größte und leuchtendste Star dieser Berufsgruppe, Jimmy Swaggert, über seine peinlichen Sexaffären gestolpert ist. Und Telefonsexhotlines sollen damals auch sehr am Aufstreben gewesen sein.
Martin, du alter Schlingel! - "Lift up the receiver"
#Februar
Es gibt sicher nur ganz wenige Songs, wo man sich ganz genau erinnern kann, wann man sie zum allerersten Mal gehört hat. Einer dieser Songs ist „Enjoy The Silence“.
Es war die von uns heiß geliebte „Peters Pop Show“ im November 1989, als uns der Song, damals noch mit dem Intro vom Video Mix, eiskalt erwischte.
Da die Bands bei dieser Show in der Regel zwei Lieder performten, glaubten wohl alle im Vorfeld an eine Playbackversion á la San Remo der im selben Jahr veröffentlichten Single „Everything Counts Live“. Umso überraschter waren wir dann natürlich über etwas komplett Neues.
Wir waren alle sofort geflasht von „Enjoy The Silence“ (damals sagte man noch „fetzt“). Wir realisierten an Ort und Stelle, dass uns hier etwas Riesengroßes erwarten würde. Und so kam es ja dann auch.
Zum Glück hatten wir alle schön mit unseren Kassettenrekordern mitgeschnitten, so dass wir uns die Zeit bis zu Veröffentlichung und Kauf, für den wir damals noch in den Westen fahren mussten überbrücken konnten.
Das die Single ein riesengroßer Hit werden würde, hat die Band damals wohl geahnt, vielleicht sogar geplant. Das außergewöhnliche Video hat in den Hochzeiten des Musikfernsehens auch seinen nicht zu unterschätzenden Beitrag geleistet. Ein Überhit, der seit 30 Jahren nicht altert, und der seitdem lediglich bei nur einem Konzert nicht gespielt wurde.
#März
Als wir am 19. März 1990 das Album in Händen halten durften, war wohl einer der ersten Track der uns richtig auffiel „Halo“, entsprach er doch am ehesten unseren bisherigen Hörgewohnheiten und auch dem gewohnten Stil der Band. Er ging uns sofort ins Ohr und natürlich auch ins Tanzbein und wird bis heute von vielen Fans als einer ihrer Lieblingstracks bezeichnet.
"Halo" hätte sicher auch gut als Single funktioniert und wurde wohl nur deswegen nicht veröffentlicht, weil das beschleunigte „Enjoy The Silence“ zum Zuge kam. Allerdings ist es bei DM auch keine Seltenheit, dass auf den Alben noch weitere Songperlen lauern, die es nicht zu Singleehren geschafft haben, aber zweifelsohne das Zeug dazu gehabt hätten.
Was uns in der damaligen politischen Situation und unseren mageren Englischkenntnissen natürlich sofort auffiel, war der Text: „When our worlds they fall apart, when the walls come tumbling in“ bezog sich in unserer Wahrnehmung auf unser aktuelles Schicksal und die Wende, auch wenn Martin den Song wahrscheinlich schon viel früher und mit einer völlig anderen Intention geschrieben hatte.
Etwas besser verstehen ließ sich der Inhalt des Songs dann durch das extrem passende, aber trotzdem augenzwinkernde Video von Meister Corbijn.
#April
Nach dem frischen Opener „World In My Eyes“ begegnet uns auf „Violator“ gleich mit Titel 2 die schleichende Ballade „Sweetest Perfection“.
Auffällig hier sind besonders die vielen geschichteten Sounds und die Shuffledrums. Erst beim zweiten Hören beschäftigt man sich näher mit dem Text, der wohl von Drogen, Selbstzerstörung und der Ohnmacht gegenüber einer nicht näher beschriebenen Versuchung zu handeln scheint.
Das seltsame Ende von „Sweetest Perfection“ liegt angeblich daran, dass Alan Wilder und Kevin Paul vor lauter übereinanderliegenden Samples keinen ordentlichen Abschluss gefunden hätten.
Trotz, oder gerade wegen der üppigen Samples ist „Sweetest Perfection“ bei Depeche Mode bisher ausschließlich akustisch zur Aufführung gekommen. Eine interessante Coverversion von „Sweetest Perfection“ existiert von der Crossover-Band und den bekennenden Depeche-Mode-Fans „Deftones“.
#Mai
Am 07.05.1990 erschien das uns bereits vom Album bekannte „Policy Of Truth“ als Single. Entgegen der sonst üblichen Depeche Mode Gewohnheit wurde der Song fast überhaupt nicht verändert. Gegenüber der Album-Version erhielt die Single lediglich ein Intro und die Stimmen wurden minimal hervorgehoben. Das kursierende Gerücht, dass das Tempo etwas verlangsamt wurde, stimmt nicht, die Laufzeit verlängert sich lediglich um das Intro.
Der Transcentral Mix ist einer von insgesamt drei Remixen, die die damals ziemlich angesagten KLF jemals für andere Musiker angefertigt haben. Das im Capitol-Mix zu hörende Zitat ("I want to tell you...") stammt von Richard Nixon, und man staunt auch, das Depeche Mode hier nicht für das verwendete Kraftwerk-Sample verklagt wurden. Das im Pavlov's Dub verwendete Sample ("I'm not politician...") stammt von Schauspieler Bob Hoskins aus dem Film "The Long Good Friday", dessen bescheuerter deutscher Titel "Rififi am Karfreitag" lautet.
„Policy Of Truth“ ist eines der wenigen Depeche Mode Songs, die man für das Konsolenspiel „Rock Band“ herunterladen kann. Mit der recht bekannten Version der Hannoveraner Band „Terry Hoax“ wurde erstmals ein Depeche Mode Cover ein Hit, danach begann eine regelrechte Coverversionswelle.
Die Dame auf dem Plattencover heißt in Anton Corbijns Büchern Barbara und ist entgegen der allgemeinen Meinung nicht mit im Video zu sehen. Die Damen im Video heißen Erika und Elisabeth. Das Video entstand in der Nähe der Williamsburg Bridge in New York. Während des Videodrehs wurden auch die Fotos für das World Violation Tourbook und für "Strangers" gemacht.
#Juni
"Dangerous" war die B-Seite von "Personal Jesus" und klingt von allen Songs der Violator-Phase noch am ehesten nach den uns bis dahin bekannten Depeche Mode. Deswegen ist "Dangerous" wohl auch eine der beliebtesten B-Seiten unter den Fans.
Hier wichen sie aber auch zum ersten mal deutlich hörbar von der Maxime ab "never use a sound twice".
Vermutlich wollte man damit die Fans besänftigen, denen der Sound von Personal Jesus etwas zu weit fortgeschritten war.
#Juli
Wahrscheinlich einer der bezauberndsten Songs, die Martin je geschrieben hat.
Der Vielfältigkeit der Worte "blue" und "dress" geschuldet, geht es in dem Song höchstwahrscheinlich nicht nur um ein simples "Blaues Kleid".
Je nach Kontext kann man es natürlich auch als "Trauerkleid" deuten, oder, mit einem Blick auf Martins lyrische Hintersinnigkeit, einen Zustand von Melancholie oder Trunkenheit in den Text hineininterpretieren.
Man mag es kaum glauben, aber "Blue Dress" wurde bis zur Delta Machine Tour lediglich 4 mal live aufgeführt. Insgesamt wurde es in den 30 Jahren seit "Violator" 14 mal live gespielt.
#August
Ob es nun wirklich nur eine kleine Gehässigkeit ist, die Martin Gore dem "glücklichsten" Mädchen entgegenbringt, oder ob es sich tatsächlich um Neid und Missgunst oder möglicherweise sogar um Vergewaltigung handelt, von der er hier schreibt, bleibt jedem selbst überlassen, herauszuhören.
Auf jeden Fall wirkt der Text eher unfertig und ist wohl auch einer der Schwächsten, die Martin je geschrieben hat.
Da auch der Song selbst nicht komplett ausgearbeitet zu sein scheint und sich auch nicht recht in die Dichte des Albumsounds von "Violator" einfinden will, hat man hier einfach Francois Kervorkian dafür herhalten lassen, und den Song nie als "Originalversion", sondern stets nur als Remix veröffentlicht.
#September
Im September 1990 wurde "World In My Eyes" als vierte Single aus "Violator" ausgekoppelt. Der massiv an Kraftwerksounds angelehnte Song wurde für den Single-Edit um 26 Sekunden gekürzt.
Auf der klassischen UK-Maxi-CD (CDBong20) sind die Laufzeiten der darauf enthaltenen Remixe trotz identischer Remix-Bezeichnungen ebenfalls gekürzt, da diese zunächst als 3"-CD erscheinen sollte. Sammlerobjektalarm! Auf der deutschen Maxi-CD sind sie in voller Länge zu hören.
Auf der "World Violation Tour" wurde "World In My Eyes" im Überseeteil in einer anderen Version gespielt als in Europa. Die Liveszenen im Video wurden entgegen der landläufigen Meinung nicht bei den legendären Konzerten im Dodger-Stadion von Los Angeles aufgenommen, sondern bereits Anfang Juli im World Music Theatre in Chicago.
In der Version zur Single wird Dave während der Fahrt ins Autokino von einer Frau begleitet. Bei der späteren Veröffentlichung auf "Strange Too" sitzen die Bandmitglieder mit im Auto. Bei dem Cabrio handelt es sich um einen 1957er Chevrolet Bel Air.
Das Auto, was in der Livesequenz zu sehen ist, gehörte zu den Screens von "Behind The Wheel/Route 66". Dieses für amerikanische Verhältnisse recht kleine Mini-Cabrio ist ein Nash Metropolitan, ebenfalls aus den 50ern.
Das "Motor Vu Theatre" befindet sich in der Stadt Tooele im US-Bundesstaat Utah. Es ist immer noch in Betrieb.
Auf der "Global Spirit Tour" ist euch bei "World In My Eyes" sicher nicht entgangen, dass dem ikonischen Originalbild Daves mit der "Brillen"-Geste auf der rechten Seite, eine aktuelle Corbijnsche Neuaufnahme auf der linken Seite gegenüber gestellt wurde. Aufgenommen wurden beide Fotos mit großer Wahrscheinlichkeit von der Dachterrasse des "Metropolitan Museum Of Modern Art", da im Hintergrund das bekannte Gebäude "The Beresford" am New Yorker Central Park zu erkennen ist.
#Oktober
Als 1990 „Strange Too“ erschien, waren wir ganz schön überrascht, dass neben „Halo“ sogar auch noch „Clean“ zu eigenen Videoehren gekommen ist. Schließlich war es bis dahin üblich, dass eigentlich nur Singles ein Video erhielten, mal von "Pimpf" abgesehen, aber das zählt sowieso eher als B-Seite 😉
Martin Gore behauptet, es wäre sein bis dahin bester Videodreh gewesen, schließlich musste er ja nur den ganzen Nachmittag knutschend auf dem Sofa liegen. Gedreht wurde das Ganze im Appartment von Anton Corbijn, was er sich extra zusammen mit Richard Bell angemietet hatte, um eine ganze Weile in den USA vor Ort sein zu können und einige weitere Videos abzudrehen. Darunter dann auch ein „Killer Wolf“ der Gruppe Danzig.
Im Hintergrund besagter Knutschszene werden die Filme auf die Gardinen projiziert, die auf der World Violation Tour bei „Clean“ auf der Bühne gezeigt wurden. „Clean“ war wiederum auch der allererste Song, bei dem Depeche Mode Livedrums eingesetzt haben. Alan Wilder thronte dabei auf einer Hebebühne, die für diesen Song hochgefahren wurde und bearbeitete dort 2 Schlagwerke im Stile von Congatrommeln oder Pauken. Seit den regelmäßigen Einsätzen auf der World Violation und der Exciter Tour, wurde Clean lediglich nur noch ein einziges Mal live aufgeführt, und zwar 2009 in Bremen als Solostück von Martin.
Das Mädchen aus dem Video ist Angela Shelton, die, damals selbst bekennender Depeche Mode Fan, als Dankeschön für ihren Auftritt im Video, neben dem Privileg einfach mal einen ganzen Nachmittag mit Martin Gore rumzuknutschen, lediglich Eintrittskarten für die Los Angeles Konzerte bekommen haben soll. Sie ist bis heute weiter im Filmgeschäft aktiv, allerdings vorwiegend als Autorin von Filmstoffen.
Alan Wilder beteuert bis heute, dass die Bassline von „Clean“ nicht bei Pink Floyd abgekupfert wäre. Die Ähnlichkeit zu „One Of These Days“ ist aber so frappierend, dass man schon ziemlich ignorant sein muss, dies zu leugnen. Aufgrund der aber von ihm geschilderten Tatsache, dass bis zum Schluss eine entsprechende Bassline gefehlt hat, ist es schon sehr wahrscheinlich, dass dieser „inspirative Klau“ die naheliegendste Lösung war. Dafür aber eben auch eine ziemlich coole.
#November
Wenn wir schon ein ganzes Jahr lang über die "Violator" sprechen, dürfen wir dabei auch die zahlreichen Instrumentals um das Album herum nicht vergessen. Ich meine damit nicht unbedingt „Crucified“ oder „Interlude #3“, sondern die wundervollen B-Seiten „Memphisto“, „Sibeling“ oder auch „Kaleid“.
Interessanterweise wurden auch diese Titel immer kryptischer, konnte man sich doch bis dahin unter „Agent Orange“ oder „Christmas Island“ etwas Konkretes vorstellen. Selbst die kleine Stadt "Oberkorn" ließ sich auf Anhieb prima finden. Daher lässt es sich auch prima über die Bedeutung von „Memphisto“ fabulieren.
Wenn wir davon ausgehen, das Martin Elvis wohl eher vergöttert als verteufelt hat, wird es sich hier wohl um eine andere vertonte Teufelei handeln. Martins stetem religiösen Duktus folgend, könnte „Memphis“ nämlich auch von der altgriechischen Bedeutung "Vollkommenheit" stammen, und damit nicht unbedingt die Stadt gemeint sein. Er selbst behauptet, es wäre eine Vision, worin Elvis in einem fiktiven Film den Teufel verkörpert. Allerdings haben wir über die Jahre auch gelernt, was wir von Martins eigenen Erläuterungen zu seinen Songs zu halten haben.
Anders bei "Sibeling". Das Thema „Verleumdung“ spielt im Kontext Depeche Mode ja doch hin und wieder eine Rolle, ob nun beispielsweise bei „The Things You Said“ oder „Breathe“, es ist regelmäßig eines von Martins Lieblingsthemen. Dem etwas eckigen Klavierspiel nach zu urteilen, hat Martin diesen Song höchstwahrscheinlich auch selbst eingespielt.
Etwas schwieriger wird es wieder bei "Kaleid". Den einzigen schlüssigen Zusammenhang, den ich hier finden konnte, ist das Wort „kaleidisch“. Es beschreibt eine hohe Unsicherheit, basierend auf einer stetigen Veränderung, allerdings unter wirtschaftlichen Aspekten. Durchaus also auch eine Metapher, die auf die damaligen Depeche Mode gut passen würde.
#Dezember
Neun Songs für die Ewigkeit, sechs außergewöhnliche B-Seiten. Vor 30 Jahren erschien „Violator“ und wir haben jeden Monat einen der Songs kurz beleuchtet. Nun sind wir leider schon wieder am Ende angekommen. Der letzte Song auf Seite A der LP, gleichzeitig einer der schönsten Konzertabschlüsse der letzten Tourneen, und ein würdiger und festlicher Abschluss unserer kleinen Reihe.
Besonders beeindruckend ist das stark an Tangerine Dream orientierte Stück "Waiting For The Night" im 5.1-Mix der 2007er DVD-Remasters. Hier kommen die außergewöhnlichen Stimmen der beiden Sänger besonders gut zur Geltung und der Song bekommt schon fast Duettcharakter.
Und wer das mit Tangerine Dream nicht glaubt, der hört einfach mal in deren Meisterwerk „Phaedra“ rein.
#Fazit
„Schweinemüll“ so lautete damals das ziemlich vernichtende Urteil des Melody Maker.
„Eine Kopie von New Order und Kraftwerk“ war die Einschätzung eines anderen britischen Journalisten. Beide konnten oder wollten damals nicht wahrhaben, was da Großes über sie hereinbrach, wie eine in ihren Augen Teenagerband ein solch reifes und perfektes musikalisches Werk abliefern konnte.
Das war vor genau 30 Jahren. Ein Zeitraum, der vor 30 Jahren ziemlich unvorstellbar war, hatten doch die meisten von uns gerade mal etwas mehr als die Hälfte davon hinter sich, und der uns trotzdem vorkommt, als wäre es es gerade gestern erst gewesen.
Für die Band war es nach „Music For The Masses“ ein Riesenschritt zu diesem Album. Nicht nur, weil Dave zum ersten Mal auf einer Depeche-Mode-Platte Gitarre spielen durfte. Martin textete inzwischen tiefgründige Existenzialistentexte irgendwo zwischen Kafka und Camus. Dichter, die drei Jahre zuvor auch ein Robert Smith als Einfluss auf seine Arbeit an „Kiss Me Kiss Me Kiss Me“ bezeichnete. Zusammen mit eher spärlichen Demos sollte es hier erstmalig dazu kommen, die Songs in einer Art Jam-Session zu entwickeln.
Natürlich ist es auch eine Kraftwerk-Hommage, besonders hörbar bei „World In My Eyes“, holte man sich doch wohl auch deswegen den Mixer von "Electric Café" an die Regler.
Auch sind die Anleihen bei Pet Shop Boys und New Order nicht überhörbar. Auf dem damaligen Stand der musikalischen Coolness waren dies nicht mal die schlechtesten Vergleiche. Keiner konnte ahnen, dass Depeche Mode ihre Zitategeber mit diesem Album um Längen überholen, und sich für die nächsten 30 Jahre den Thron der elektronischen Rockmusik erobern und nie wieder hergeben würden.
Wie sehr bei der Produktion der Jam-Gedanke umgesetzt wurde, lässt sich am ehesten an „Enjoy The Silence“ nachvollziehen, war es doch ursprünglich eine Orgelballade, aus der die Band einen ihrer größten Hits machte, nachdem Martin mehr oder weniger zufällig ein passendes Gitarrenriff spielte und alle fanden, dass das nun doch noch etwas zackiger gespielt werden sollte. Allerdings war Daniel Miller mit dem Kervorkian-Mix so gar nicht zufrieden, dass er kurzerhand nochmal selbst nachbesserte. Vielleicht sogar die berühmte "Pudding-Snare" (Zitat Alan). Dafür wollte man ihnen dann sogar den Brit-Award verleihen.
Die technischen Fähigkeit eines Flood und eines Alan Wilder sorgten für einen ausgetüftelten Album-Sound, den Dave als „Future-Blues“ bezeichnen sollte. Und die Blues-Anleihen sind unüberhörbar, am deutlichsten vielleicht in „Sweetest Perfection“, „Blue Dress“ oder „Clean“, aber auch das rockige „Personal Jesus“ enthält nichts weiter als ein Bluesriff mit einer Prise T.Rex.
Martins Bluesaffinität trat hier bereits noch stärker als bei der „Counterfeit e.p.“ in Erscheinung, ein Trend, der sich in späteren Produktionen noch mehr durchsetzen sollte.
Bedient wurde sich natürlich selbstredend auch bei den ganz Großen der Rockmusik. Tangerine Dream wurde besonders bei „Waiting For The Night“ bemüht, Kraftwerk wurden auf der späteren Maxi von „World In My Eyes“ sogar noch offensichtlicher zitiert, aber auch Led Zeppelin und Pink Floyd wurden reichlich kopiert und gesampled.
Vorbilder, die die Marschrichtung der Band und ihrer Ambitionen für die nächsten Jahrzehnte werden sollten, Wegweiser und Meilensteine auf dem Weg zur größten Band der Welt.
Spätestens als das melodieselige „Policy Of Truth“ dann als Single veröffentlich wurde, waren sie aber auch dank der exklusiven und stimmigen Videos für diesen Moment die coolsten Säue des Planeten.
Und natürlich fühlten wir uns damals genauso. War doch Violator unser Soundtrack zur Wende und zum Erwachsenwerden. Ein Aufbruch in eine ungekannte Freiheit und neuer Abenteuer, untermalt mit der passenden Musik. Auch deshalb hat sich diese Platte so eindrücklich in unseren Kopf eingebrannt.
Und der Record Mirror befand: „Mit Violator haben sie für euch einen wahren Kerker aus Songs gestaltet … die Songs sind wie leuchtende Sterne an einem pechschwarzen Himmel oder wie Silberschmuck auf einer weichen, schwarzen Lederjacke… je weiter wir diese Jacke öffnen, desto größer werden sie.“
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