"So We Left Understanding..." - Das Geheimnis hinter Depeche Modes erster Single

Vor etwas mehr als 40 Jahren veröffentlichte eine unbekannte britische Newcomerband mit außergewöhnlich französisch klingendem Namen ihre allererste Single. Nur ganz kurz nachdem sie bereits mit einem anderen Song auf dem ziemlich angesagten Sampler "Some Bizarre Album" vertreten sein durfte.

"Dreaming Of Me" drückt zwar im Titel ein ordentliches Selbstbewusstsein aus, ist aber im Großen und Ganzen ein Song, den wohl keiner so recht versteht. Komponist Vince Clarke selbst wohl auch nicht. Das Liedchen klingt im Gegensatz zu den anderen Elektronikproduktionen dieser Tage regelrecht naiv und simpel, vor allem wenn man bedenkt, dass „Dreaming Of Me“ damals in den Charts mit Kalibern wie „Fade To Grey“ oder „Vienna“ konkurrieren sollte. 

Ihren Weg in die Hitparaden fand die Single trotzdem, und wir konnten pünktlich zum Geburtstag von "Dreaming Of Me" das Geheimnis hinter der Auslaufrillen-Gravur dieser ersten Scheibe lüften.

Die Plattensammler und frühen Fans unter euch erinnern sich sicher noch daran, dass es zu den Hochzeiten des Vinyls üblich war, seltsame geheime Botschaften in die Auslaufrille einer Platte einzukratzen, die sogenannten "Runout Grooves". Die letzte Platte unserer Jungs, die so eine Gravur trug, stammt aus dem Jahre 1990. Es war die "limitierte" 12"-Maxi von "Policy Of Truth", die mit dem Klappcover, und davon leider nur die UK-Pressung.

Zu den Standardinformationen, die in so einer Auslaufrille hinterlegt werden, gehören u.a. die Matrixnummer dieser Platte, Informationen zum Presswerk und zu demjenigen, der den Erstschnitt der jeweiligen Rille zu verantworten hat. Für Sammler ein unverzichtbares Indiz, genau die gewünschte Pressung gefunden zu haben, nach der man schon ewig gesucht hat.

Wir erfahren so, dass es im Falle von "Dreaming Of Me" ein gewisser "Porky" war, der den Erstschnitt, den sogenannten Lacquer Cut der Single zu verantworten hatte. Dahinter verbirgt sich der bekannte, fast schon berühmte Lackschneider George Peckham. Sein Markenzeichen war die Phrase "A Porky Prime Cut" - "ein 'schweinischer' Erstschnitt". Dazu erfahren wir durch die Abkürzung "LYN", dass die Pressung bei Lyntone in London erfolgte.


Das eigentliche Rätsel sind dann meist die kryptischen Textpassagen, die dort noch so stehen. In der Regel wurden diese handschriftlich eingeritzt. Im Falle von "Dreaming Of Me" finden wir dort ein "THAT'S 'ANDY 'ARRY" auf der A-Seite, sowie ein "STICK IT IN THE OVEN" auf der B-Seite, der Seite von "Ice Machine".

Wie wir in investigativer Intensivrecherche herausfinden konnten, entstammen beide Phrasen einem Werbeclip für Fertigpizzen der Marke "Birds Eye" von 1981.

Der mutmaßliche Gastronom mit seinem vorgegaukelten italienischem Akzent, sagt zu seinem Pizzabäcker, "That's handy, Harry" - "das ist praktisch, Harry", und fordert ihn auf, dieses vorgeblich original italienische Rundgebäck in den Backofen zu schieben. 

 
 
Natürlich gibt es davon noch weitere Versionen, die die Marke "Birds Eye" in ihrer pizzigenen Vielfalt anpreisen
 

Wir vermuten, dass die Band zum einen die allererste Single mit dem wohlgelungenen Rund einer Pizza vergleichen wollte, und zum anderen, dass mit dem Cut von Porky alle so zufrieden waren, dass sie es endlich pressen lassen wollten - also "ab in den Ofen damit"...

Vielleicht ist es aber auch viel einfacher, und die Jungs haben bei den Aufnahmen nur jede Menge "Birds Eye"-Pizza in sich hinein befördert.

In Sammlerkreisen extrem begehrt, ist eine Fehlpressung des Covers, bei dem das auffällige Pink "vergessen" wurde. Davon gibt es noch Abstufungen mit einem nur sehr leicht gefärbten Oberteil. Hier ist anscheinend beim Drucken die Farbe zu Ende gegangen.

Aufpassen sollte man bei einem über die gängigen Gebrauchtplattenportale angebotenem 12"-Acetat-Cut von "Dreaming Of Me", der angeblich einen nie veröffentlichten Extended-Mix enthält, der bisher auch nur auf dieser einen Platte existiere.

Die auf dem Label genannte "David Gresham Record Co." hat nach unseren Recherchen ihren Sitz in Südafrika und ihre ersten nachvollziehbaren Veröffentlichungen bei Discogs stammen aus dem Jahre 1984, vorher trug das Label einen anderen Namen. Es bleibt daher besonders rätselhaft, warum eine ganz junge englische Band, die noch nicht mal in ihrer Heimat England jemandem aufgefallen ist, ihre allererste Single auf einem damals noch nicht existenten, südafrikanischen Label als Maxi hätte schneiden lassen sollen, um sie dann ungehört im Schrank verschwinden zu lassen. Sehr seltsam, das Ganze!

In den letzten Jahren machte uns dann noch Vince Clarkes Schulfreund und ehemaliger Bandkollege Paul Spector mal wieder darauf aufmerksam, dass das von ihm und seinem Bruder Adam im Jahre 1979(!) komponierte Lied „Do I Know You“ und ihrer Band Malicieux Garde, verdächtig viel Ähnlichkeit mit „Dreaming Of Me“ hätte. Leider wurde das vermeintliche "Beweisvideo" bereits wieder von YouTube heruntergenommen. 

Ursprünglich war "Dreaming Of Me" als stand-alone Single gedacht und auf keiner Langspielplatte vertreten. Allerdings existieren davon trotzdem zwei verschiedene und offiziell erhältliche Versionen. Am bekanntesten ist wahrscheinlich die kürzere, sogenannte "Fade Out"-Version, bei denen der Song am Ende einfach immer leiser wird und ausläuft. Diese Version gibt es auf den frühen Vinyl-Singles, auf der Compilation "The Singles 81->85", auf den nicht-britischen "Speak & Spell"-Pressungen, wo "Dreaming Of Me" doch noch zu Langspielehren kam und auf den ersten CD-Maxis. Erst mit den remasterten Ausgaben des Depeche Mode Katalogs im Jahre 2006 traf man auf die sogenannte "Cold End"-Version, die mit ihrem lustigen Gequietsche am Schluss eindeutig der Fansympath ist!

Noch besser kommt bei Fans und Band die B-Seite an. Das stoische "Ice Machine" gehört bis heute zu den beliebtesten Songs der Depeche Mode Community und blieb sogar bis zum Ende der "Some Great Reward Tour" im Jahre 1985 im Live-Repertoire der Band.

Allein bis heute sollten "Dreaming Of Me" noch knapp 60 weitere Singles folgen...

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(STX)
Fotos/Videos: Discogs, YouTube, M.Steinbach

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