"Will You Cover Me?..." - Die lange Tradition von Depeche Mode und ihren Coverversionen

Wer hätte gedacht, dass Dave solo mal so ein Brett abliefert, wie "Imposter". Die ganzen überschwänglichen Berichte derer, die die Scheibe im Vorfeld hören durften, verlangten eher nach Skepsis. 

Nun liegt der "Hochstapler" aber auf dem eigenen Plattenteller und die Bedenken verfliegen mit jedem Song mehr. Man erhört sich die Dramaturgie, die dieser Platte zugrunde liegt und merkt, warum Dave sie auch live unbedingt in dieser Reihenfolge spielen will. Seine Stimme zartschmelzt sich um jedes einzelne Lied und gerät selbst bei solchen Schmachtfetzen, wie "Smile" oder "Always On My Mind" nie in die Nähe der Schmalzigkeit. 

Als klitzekleine Wermutstropfen fallen die im Original eher zurückhaltend gehaltenen Songs "Metal Heart" und "The Desperate Kingdom Of Love" ins Gewicht, da diese dann doch eher ebenso wie der Rest des Albums sehr nach vorne gehen und den Charakter des ursprünglichen Songs eher konterkarieren.

Selbst die Soulsavers geben sich dieses Mal Mühe, von ihrem bewährten Schema "wir fangen mal den Song ganz zart an, basteln dann von Strophe zu Strophe was dazu um am Ende in fülliger orchestraler Opulenz zu landen", ab. 

"Imposter" ist jedoch wirklich hörenswert und legt die Messlatte für möglicherweise noch kommende Depeche Mode Platten ganz schön hoch. 


Gut, so richtig falsch machen konnte Dave aber auch nichts, bei dieser tollen Songauswahl. Dabei herrscht an diesem Punkt schon wieder Patt gegenüber seinem Kollegen Martin, der uns 2003 eine vielleicht einzwei Lieder zu lange, aber nicht minder tolle Sammlung an Coversongs unter die Ostereier mischte. Das Konzept kannte man damals schon von seiner ersten "Counterfeit e.p" von 1989, allerdings noch nicht auf Albumgröße. 

Beeindruckte Martin damals eher mit nach Depeche Mode klingenden Varianten der Originalsongs, finden Dave und die Soulsavers hier den orchestralen Weg und schaffen mit den Musikern, die Dave teilweise bereits seit 2003 live begleiten, ein wirklich beachtenswertes Stück Musik.

Zudem haben Coverversionen im Kosmos von Depeche Mode schon immer eine große Rolle gespielt, und das nicht nur bei den bekanntgewordenen "Piano-Sessions" aus den Hotelbars zu Zeiten von "World Violation" und "Devotional". Glaubt man der Legende, so haben sich Depeche Mode bei ihrem allerersten Konzert mit "Virginia Plain", "The He Kissed Me" und "Sunday Morning" mit Roxy Music, den Crystals und mutmaßlich auch Velvet Underground nicht gerade musikalische Leichtgewichte ausgesucht. 

Ein fester Bestandteil der Setlist zu Speak & Spell Zeiten, war "The Price Of Love" von den Everly Brothers, was zwischen 1980 und 1981 ganze 40-mal zu musikalischen Ehren kam.  

Eines der am längsten live gespielten Cover ist "I Like It" von Gerry & The Pacemakers (ja genau, die mit der Fußballhymne!) aus dem Jahre 1963. 

Depeche Mode spielten dies bis zum Ende der "See You Tour" im Mai 1982, bei der sogar Alan Wilder schon die Tasten bediente. 


Nach einigen coverlosen Jahren, veröffentlichte die Band an Weihnachten 1987 und mit dem Start des Fanclubmagazins "Bong" eine Flexidisc mit dem Song "Never Turn Your Back On Mother Earth", der dann auf der "Tour For The Masses" sogar insgesamt 16-mal live zur Aufführung kam. 

Dieser stammt im Original von den Sparks. Die Meisten sollten dieses Stück dann noch später in Martins Soloversion auf der "Counterfeit e.p" näher kennenlernen dürfen, auf der er noch fünf weiteren seiner Lieblingssongs die Ehre erweist, sie zu covern.


Als Depeche Mode sich anschickten, Amerika zu erobern, gelang ihnen dies zusätzlich mit einem Cover von "Route 66" auf der B-Seite von "Behind The Wheel". 

Am bekanntesten ist der Songs sicherlich durch die Interpretation der Rolling Stones. Er bildete zusammen mit seiner A-Seite den Abschlusszugabenpack auf der "World Violation Tour".


Auch in den 1990er Jahren gab es Coverversionen mit Depeche Mode. 1995 beteiligte sich Martin Gore am Tributesampler "Tower Of Song" zu Ehren von Leonard Cohen mit seiner Version von "Coming Back To You" 

1997 zog dann Dave erstmalig mit einem Solosong nach. Auf der Compilation "Dream Home Heartaches - Remaking/Remodeling Roxy Music" interpretierte er damals den "A Song For Europe" vom Album "Stranded".

Das erste mal wieder als Band traten Depeche Mode mit der Stooges-Interpretation von "Dirt" im Jahre 2001 in Erscheinung. "Dirt", im Original von der LP "Fun House", war die B-Seite von "I Feel Loved" aus dem famosen Album "Exciter".

Danach kam es dicke in Sachen Coververwertung. Martin Gore veröffentliche seine zweite Soloplatte "Counterfeit²" mit nunmehr elf seiner Lieblingssongs. Neben einigen unbekannteren Songs aus den 60er und 70er Jahren beeindruckte er aber besonders mit Nick Caves "Loverman", dem er einen dicken Depeche Mode Stempel aufdrückte und es damit zu seinem eigenen Song machte. Das haben Metallica mit "Loverman" nicht so präzise hinbekommen. 

Auch auf den B-Seiten zu den "Counterfeit²"-Singles versteckten sich noch einige Perlen, und Martins tiefe Liebe zu T.Rex wurde mit gleich zwei Songs gefeiert, "Life Is Strange" und "Left Hand Luke And The Beggar Boys", beide vom Album "Tanx".


Weiter ging die Reise dann 2011, zum 20-jährigen Jubiläum von U2's Meisterwerk "Achtung Baby", lieferten sie eine Version von "So Cruel" ab, die in meinen Augen sogar das Original übertrifft. Dabei hatten sie sich natürlich auch den besten Song von "Achtung Baby" ausgesucht. 

Abermals in 2011 ergeht sich Dave in einem wahren Reigen an Coverversionen. Bei seiner Preisverleihung für "Musicares" singt er Titel von David Bowie, Joy Division, Mark Lanegan und The Damned. 

2016 beteiligte sich Dave an einem Projekt seiner Freunde Mark Lanegan, Martyn LeNoble und Christian Eigner zum Bowie-Cover von "Cat People (Putting Out Fire)", was im Original 1981 als Soundtrack zum Film "Katzenmenschen" erschienen ist. 

Mit einem weiteren Bowie-Song erreichten Depeche Mode dann ihren fulminanten Höhepunkt der Coverversionen mit "Heroes". Neben einer Studioversion, den sogenannten Highline-Sessions, live präsentiert auf der "Global Spirit Tour" war dies ein Highlight in den Augen vieler Fans. 

"Heroes" wurde auch nicht umsonst ausgesucht. Der Legende nach, soll Dave "Heroes" 1980 im Proberaum gesungen haben, wodurch Vince und Andy ihn daraufhin als Sänger zu "Composition Of Sound" einluden. Der Rest ist Geschichte.

Kurios war dann das Cover von John Cale, was Daniel Miller angeblich vollkommen live vor dem letzten Konzert von den Jungs in der Berliner Waldbühne aufgenommen hat. 4 Minuten und 33 Sekunden laufende Klimaanlage und möglicherweise der klatschende Fletch?

Kurz vor "Imposter" gab es auch nach langer Stille wieder ein Lebenszeichen eines der Bandmitglieder, das erste offizielle seit dem Ende der "Global Spirit Tour". Zum 30. Geburtstag von Metallicas selbstbetiteltem Album "Metallica", auch bekannt als Black Album, veröffentlichen sie einen Tribute-Sampler namens "Blacklist", auf dem zahlreiche Künstler mehr oder weniger gelungen die Songs des Albums coverten. Neben zahlreichen namhaften und weniger nahmhaften Stars war auch unser Dave mit einer Coverversion des unvermeidlichen "Nothing Else Matters" vertreten.


Aber kommen wir nochmal zurück zu "Imposter". Die Originale erstrecken sich auch hier von ganz frühen Bluestücken bis zu ernsthaften modernern Sachen.

Bereits tausendfach gecoverter Alltime-Fave dürfte bei Vielen "The Dark End Of The Street" sein, was man vielleicht noch aus dem Film "The Commitments" im Ohr hat. Damals, eigentlich völlig Film-untypisch in voller Länge im Film zu sehen.

Die unvergleichliche Nina Simone liefert in meinen Augen die beste Version von "Lilac Wine" ab. Dieser Version muss man erstmal das Wasser reichen. Dave ist dies ziemlich gut gelungen.

Das auch der späte Bob Dylan noch ordentlich abliefern konnte, feiert Dave mit "Not Dark Yet" vom 1997er Album "Time Out Of Mind". 

Einer der beeidruckendsten Songs der Platte ist für mich aber "Shut Me Down" von Depeche Modes früherem Labelkollegen Rowland S. Howard, der u.a. mit Nick Cave zur Schule ging und mit ihm zusammen bei den Bands "The Birthday Party" und "The Boys Next Door" spielte.

Bereits Erfahrung haben die Soulsavers mit Coverversionen von Gene Clark. Auf "Imposter" mit dem tollen "Where My Love Lies Asleep" vertreten, haben sie uns schon auf "Broken" ihre Version von "Some Misunderstanding" dargeboten, die auch live im Vorprogramm der "Tour Of The Universe" aufgeführt wurde, damals gesungen von keinem Geringeren als Mark Lanegan.

Mit "Imposter" ist Dave nun wirklich etwas gelungen, womit keiner so recht gerechnet hätte. Schwächelten früher auch seine Songs auf den Depeche Mode Platten, weiß er uns seit "Cover Me" vom Album "Spirit" mittlerweile durchaus zu beeindrucken. Er investiert gegenwärtig jede Menge Energie in seine persönliche Weiterentwicklung und Martin muss schauen, dass er da mithalten kann. 

"Imposter" ist wirklich imposant!

(stx)

alle Links: Youtube

Kommentare

Beliebte Posts